Windows statt Linux – Warum das Auswärtige Amt Open Source verbannt
Die Nachricht schlug in der Open Source Gemeinde ein wie eine Bombe: Das Auswärtige Amt der Deutschen Bundesregierung wendet sich von Open Source Software ab und wechselt zu Microsoft.
Was dahinter steckt, was für Gründe genannt werden und was ich davon halte erfahrt Ihr in diesem Artikel.
Open Sourc adieu
Eines muss man gleich vorweg nehmen: Das Auswärtige Amt verbannt nicht jede Open Source Lösung, sondern es wechselt lediglich die Desktop-Software der normalen User aus. So wird extra betont, dass der Einsatz von Open Source überall dort, wo sie „technologisch und wirtschaftlich sinnvoll“ ist, unterstützt wird. Und dies trifft allem Anschein nach wohl nicht auf Desktoparbeitsplätze zu. Zu den Argumenten gehe ich aber weiter unten ein.
Dies bedeutet jedenfalls vorallem ein Austauschen von Linux gegen Microsofts Windows 7 und der Wechsel von Open Office zum MS-Office Paket. Aber das reicht, um für große Aufregung zu sorgen. Die Free Software Foundation Europe spricht sogar von einem Angriff auf Freie Software im Allgemeinen.
Stellungnahme der IT-Beauftragten
Auftgrund einer Anfrage der Grünen hat sich jetzt die IT-Beauftragte der Bundesregierung, Cornelia Rogall-Grothe, zu Wort gemeldet und begründet, warum diese Entscheidung gefallen ist.
Sie berichtet von „erheblichen Beschwerden der Nutzer hinsichtlich Bedienbarkeit, Anwenderfreundlichkeit, fehlender Integration und mangelhafter Interoperabilität“. Als Beispiel zieht sie das Dateiformat Open Document Format (ODF) heran, bei dem es aufgrund verschiedener Implementierungen immer wieder zu Problemen kam.
Aber alleine die Tatsache, dass das Auswärtige Amt mit vielen ausländischen Behörden, Organisiationen und Unternehmen zu tun hat, macht die Unterstützung von propritären Formaten wie die von Microsoft einfach notwendig. Eine teilweise Dual-Boot-System-Installation mit Windows war die Folge.
Und auch die Pflege der selbst entwickelten Linux-Anwendungen war ein Punkt, der großen Einfluss auf die Entscheidung hatte. Denn diese würden sehr hohe Kosten verursachen.
Ich will jetzt nicht auf alle Fragen und Antworten eingehen, denn die gute Frau musste in diesem PDF 39 Stück beantworten.
Analyse der Argumente
Im Gegensatz zu allen Open Source Fanatikern möchte ich mich an dieser Stelle nicht dem Trend der Empörung anschließen. Denn ich halte die Entscheidung für absolut nachvollziehbar.
Natürlich kann man einen einzelnen Arbeitsplatz umstellen. Aber umso großer eine Organisation ist, desto standardisierter müssen die Anwendungen sein, die genutzt werden.
Wenn dann noch ein umfangreicher Datenaustausch mit unterschiedlichsten externen Quellen hinzukommt, dann muss ein System genutzt werden, welches eine große Palette an Formaten und auch Programmen unterstützt. Und da ist Microsoft nun einmal besser geeignet als Linux. Ich kann da nur Unity als Beispiel heranziehen, wofür es immer noch keine Entwicklungsumgebung für gibt.
Rogall-Grothe argumentiert ja mit den hohen Entwicklungskosten sowie mit fehlender Garantie. Auch dieses kann ich sehr gut verstehen. Denn umso vernetzter die einzelnen Abteilungen arbeiten sollen, desto mehr muss automatisiert werden.
Im Microsoft-Umfeld gibt es vieles, was bereits fertig entwickelt wurde, auch gerade weil es viele Standardschnittstellen gibt. Bei Linux muss vieles zusätzlich entwickelt werden – und das kostet. Da entscheidet man sich dann schnell für die Schaffung einer internen Stelle anstatt externe zu beauftragen, da diese um ein vielfaches (vier bis fünf mal) teurer sind. Und schon liegt die Verantwortung für die Gewährleistung bei der internen IT.
Aber auch bei extern entwickelter Software gibt es Gewährleistungsprobleme. Arbeitet diese mit einer anderen Software, welche nun ein Update bekommt, verfällt die Gewährleistung der ersten Software. Schließlich ist diese nur für die ältere Version entwickelt worden. Die Folge ist, dass etwas nicht geupdatet wird oder die andere mitgezogen werden muss, was wieder unter Umständen richtig Geld kostet.
Ich halte Open Source für eine wirklich gute Sache, ich selber nutze WordPress, Firefox und auch Open Office. In bestimmten Fällen bevorzuge ich aber trotzdem kommerzielle Software. So halte ich z.B. Visual Studio für wesentlich produktiver und handlicher als MonoDevelop.
Lehren ziehen
Die Entscheidung „Open Source ja/nein“ sollte nicht aus dem hohlen Bauch heraus getroffen werden, sondern auf einer ausgibigen Analyse basieren. Dogmen helfen einem da nicht weiter.
Es gibt eben nicht das perfekte Geschäftsmodell für alle Situationen – auch nicht bei Software (ja, mit Open Source wird auch Geld verdient;) ).
Was ist Eure Meinung zum Thema Open Source und proprietäre Software?
Ich finde den Schritt auch angebracht und richtig.
Nicht, dass ich mich hier nun als überzeugter M$ Fanboi outen möchte xD aber Tatsache ist nunmal, dass der Konzern aus Redmont hierbei imho eindeutig die besseren Karten hat.
Schnittstellenverfügbarket, Kompatibilität und Benutzerfreundlichkeit… das sind die Stärken von Windows.
Klar… rein theoretisch kann man unter Linux ebenso produktiv sein… aber das ist eine Frage der Kosten, alleine wegen Schulungen und die von dir genannten Erweiterungen, Wartungen und Garantieansprüche.
Von daher kann ich diese Entscheidung ebenso voll und ganz nachvollziehen.
Ich bin der Meinung, dass Linux sich bis heute nicht auf dem Desktop etablieren konnte. Seit den ersten Distributionen hat sich was die Bedienung via grafischer Oberflächen angeht viel getan. Man hatte erkannt, dass der normale User nicht mit der Shell arbeiten wird. Das war es dann aber auch schon. Keiner dieser Desktops ist es gelungen dem User das Gefühl zu geben wie gewohnt weiterarbeiten zu können.
Das ist bei Windows anders. Hier gibt es über Versionsgenerationen hinweg eine immer gleiche Benutzerführung, die nur gelegentlich an wenigen Stellen (Windows 7 Taskbar, Office Ribbons) aufgebrochen wird um die Nutzung weiter zu vereinfachen.
Ok, mal der Reihe nach:
Schulungen: Fallen so oder so an. Man denke nur an die jetzt notwendigen Win7 und 0ffice 2007/2010-Schulungen. Das tut sich also nichts
Benutzerfreundlichkeit: Wer Gnome nicht mag, kann Kubuntu einsetzen. Dann ist man dicht an XP… Sollte man sich mal näher ansehen, bevor man von Benutzerfreundlichkeit redet. Ich gebe Kurse an der VHS, und die Teilnehmer haben sich bisher alle(!) nach 8 Stunden in (K)Ubuntu sehr gut zurechtgefunden. Und so gering ist die Veränderung mit Ribbons nun auch nicht. Und von XP zu Vista / Win7 auch nicht. Und XP umfasst immer noch 50% aller Windows-Installationen.
Kompatibilität: Auf den ersten Blick richtig, auf den 2. Blick falsch. Microsoft verändert permanent seine Dateiformate. So lässt sich schon heute unter 2003 ein DOCX nur mit Addon öffnen. Und alte DOC-Dateien laufen nur im Komp-Modus. Von noch älteren DOC-Versionen ganz zu schweigen. Natürlich kann man jetzt mit einer Update-Pflicht argumentieren. Aber was ist in 10, 20 oder 30 Jahren mit den Dateien? Wenn man z.B. für ein Dossier alte Dateien öffnen muss? Oder alte Verträge bzw. deren Kommentare. Proprietär ist eben nicht zukunftssicher. Weiterhin die Frage des Austauschs von Dateien. Innerhalb des eigenen Unternehmen (Botschaften/Konsulate) klappt das vielleicht. Aber was ist z.B. bei einem Austausch mit der französischen Polizei? Die ist nämlich komplett auf Linux umgestellt. So wie die Polizei in Niedersachsen auch schon…
Zudem kommt der Punkt der Sicherheit hinzu. Jeder weiss, was StuxNet angerichtet hat, und wie leicht ein Windows-System geknackt werden kann (Bundes-Trojaner nur von einer fremden Macht). Linux ist nicht so virenanfällig und wesentlich sicherer. Ein Punkt, der bei der immer so schön zitierten „Nationalen Sicherheit“ ein nicht unwesentlicher Aspekt sein sollte.
Weiterhin sollte man nicht vergessen, das die Linux-Migration im Auswärtigen Amt seit Jahren im vollen Gange ist. Kein Unternehmen würde mitten im Roll-Out die Bremse ziehen, und alle Schritte wieder rückgängig machen.